Eltern brin­gen ihr Wis­sen in die Schule

Ein Bericht über den Akti­ons­tag “Eltern mit Expertenwissen”

Mama, was genau machst du jeden Tag auf der Arbeit?“

Text: Sigi­ta Gelbach

Was willst du mal wer­den?“ ist wohl eine der ers­ten Fra­gen, auf die Kin­der eine Ant­wort geben sol­len, wenn sie eine Sei­te im Kin­der­gar­ten-Freun­de­buch aus­fül­len und wor­in sie zunächst noch „Feu­er­wehr­mann-Sam“ oder „Tier­ärz­tin“ ein­tra­gen. Spä­tes­tens aber bei der Über­ga­be des ers­ten Abschluss­zeug­nis­ses am Ende der Klas­se 10 stel­len sie sich selbst die­se Fra­ge erneut. Eine bun­te und brei­te Palet­te von mög­li­chen Ant­wor­ten sol­len sie wäh­rend ihrer Schul­lauf­bahn ken­nen­ler­nen. Dafür bie­tet die Gesamt­schu­le Nie­der­kas­sel von der 5. Klas­se an fort­lau­fend unter­schied­li­che Bau­stei­ne in der Berufs­ori­en­tie­rung an, sodass alle Schüler*innen pra­xis­nah nach Ant­wor­ten suchen kön­nen, was sie denn spä­ter mal wer­den wol­len. Einer die­ser Bau­stei­ne ist der Akti­ons­tag „Eltern mit Exper­ten­wis­sen“ für die Jahr­gän­ge 5 bis 7, bei dem die Schüler*innen unter­schied­li­che Berufs­fel­der erkun­den und an kon­kre­ten Bei­spie­len in die Beru­fe der Eltern der Schu­le hin­ein­schnup­pern kön­nen. Am 2. Juni 2022 fand die­ser Tag zum drit­ten Mal an der Gesamt­schu­le statt und wur­de von der Koor­di­na­to­rin für die Beruf­li­che Ori­en­tie­rung, Frau Mar­ti­na Nimz, sorg­fäl­tig bis ins letz­te Detail organisiert. 

Wie lese und ver­ste­he ich ein Rezept? Wie füh­le ich mich, wenn ich alt bin und nicht gut sehen kann? Wie siche­re ich einen Ver­letz­ten im Ret­tungs­wa­gen? Wie baue ich als Sport- und Fit­ness­kauf­frau mein Trai­ning auf? Auf die­se Fra­gen hat­ten die Schüler*innen am Ende des Tages Ant­wor­ten aus der Pra­xis. Dadurch, dass der Fokus auf das „Wie?“ lag, konn­te jede*r Schüler*in beim Aus­pro­bie­ren, Anfas­sen, Anpa­cken sie­ben Beru­fe näher begrei­fen. Es wur­den 26 Sta­tio­nen aus 11 ver­schie­de­nen Berufs­fel­dern prä­sen­tiert, weil enga­gier­te Eltern und Ein­rich­tun­gen aus Nie­der­kas­sel den Akti­ons­tag unter­stützt haben. Pra­xis, nicht die Theo­rie stand heu­te auf dem Stundenplan! 

Ich habe mich an die­sem Tag auch genau umge­schaut und mich an mei­ne Schul­zeit zurück­er­in­nert. Dort gab es einen Beruf, der sehr prä­sent war: Lehrer*in. Das bin ich auch gewor­den, weil ich fast alle mei­ne Lehrer*innen ziem­lich toll fand. Was wäre ich aber even­tu­ell gewor­den, wenn ich schon als Schü­le­rin gewusst hät­te, was es alles für Beru­fe über­haupt gibt? Neu­gie­rig pro­bie­re ich mich also zuerst als KFZ-Mecha­tro­ni­ke­rin am gro­ßen gel­ben LKW aus. Genau wie alle Schüler*innen löse auch ich mei­nen Bon in der Pau­se ein und hole mir einen gra­tis Muf­fin an der The­ke ab. Wir haben hier schon groß­ar­ti­ge Eltern, die nicht nur ihre Beru­fe prä­sen­tie­ren, son­dern auch noch Was­ser und Selbst­ge­ba­cke­nes für den Tag spen­die­ren!, den­ke ich beim Abbei­ßen für mich hin. Mein Muf­fin schmeckt nach war­men Blau­bee­ren. Ich gehe an der Lehr­kü­che vor­bei. Dort duf­tet es herr­lich nach Zucker und Erd­bee­ren – auf den ers­ten Rie­cher ist es ja nichts Neu­es — schließ­lich fin­det ja täg­lich hier der Haus­wirt­schafts­un­ter­richt statt. Unge­wöhn­lich ist an dem Tag aber, dass eine 5‑Klässlerin aus der Küche mir fast in die Arme hin­ein­rennt und mir stolz zwei klei­ne Gläs­chen mit noch hei­ßer Mar­me­la­de ent­ge­gen­streckt. Ich fra­ge sie, ob sie mal spä­ter Köchin wer­den wol­le. Sie ent­geg­net aber, dass der Beruf, wel­cher in der Küche prä­sen­tiert wird, Verfahrensmechaniker*in für Glas­tech­nik heißt. Das schwie­ri­ge Wort hat sie heu­te Mor­gen auf ihren Lauf­zet­tel notiert und freut sich, dass sie nun auch weiß, was es bedeu­tet. Ich bin neu­gie­rig und wer­fe einen Blick in die­se Gerü­che-Küche hin­ein. Dort erklärt Frau Außem den Schüler*innen, wie in der Fir­ma WECK Glas­werk die­se klei­nen Mar­me­la­den­gläs­chen her­ge­stellt wer­den. Dann höre ich plötz­lich das Mar­tins­horn. Statt des Pau­sen­gongs tutet an die­sem Tag alle 30 Minu­ten die Feu­er­wehr und läu­tet damit den Wech­sel zwi­schen den Sta­tio­nen ein. Ich eile also zur nächs­ten Sta­ti­on und ste­he nun vor einer Wie­se, auf der meh­re­re Vier­bei­ner Par­cours lau­fen. An die­ser Sta­ti­on ler­nen die Schüler*innen, dass es nicht nur die Tier­ärz­tin als Beruf gibt, son­dern auch eine Phy­sio­the­ra­peu­tin für Tie­re. Auf der ande­ren Sei­te des Schul­hofs ste­hen Ein­satz­wa­gen des Deut­schen Roten Kreu­zes und der Frei­wil­li­gen Feu­er­wehr Nie­der­kas­sel. Und wie nun genau das „Feu­er­wehr­mann-Sam“ Auto von innen aus­sieht und wie schwer der Lösch­schlauch ist, das dür­fen alle ein­mal selbst bestau­nen und aus­pro­bie­ren. Zur nächs­ten Stun­de wer­de ich mei­ner 6. Klas­se ein Freun­de­buch mit­brin­gen. Ich bin schon sehr neu­gie­rig dar­auf zu lesen, wel­che Ant­wor­ten sie dann auf die eine schwie­ri­ge Fra­ge haben werden.